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Selbstorganisation in agilen Teams

Das Ownership Modell

Geschätzte Lesezeit: 7 Minuten
Worum geht es in diesem Beitrag?

Selbstorganisation in agilen Teams ermöglicht eigenverantwortliche Entscheidungsfindung und erlaubt es selbstorganisierten Teams schnell auf unvorhersehbare Herausforderungen der VUCA Welt reagieren zu können. In diesem Blogbeitrag beschreiben wir anhand des Ownership-Modells, welche Voraussetzungen für die Übernahme von Verantwortung durch agile Teams gegeben sein sollten und welche Zustände Teams daran hindern in die Selbstorganisation zu kommen.

Wie Selbstorganisation in agilen Teams gefördert werden kann, ist vielfältig und erfolgt unter anderem durch den Austausch von Informationen, regelmäßige Team-Meetings und Entscheidungsmethoden, die auf den individuellen Kontext abgestimmt sind.

Selbstorganisation
Icon Selbstorganisation

Was ist Selbstorganisation und warum ist sie in agilen Teams von Bedeutung?

Selbstorganisation beschreibt die Arbeitsweise eines Teams, das eigenverantwortlich Entscheidungen trifft, Ergebnisse in einem Projekt oder einer Organisation vorantreibt und selbst festlegt, wie diese Ergebnisse erreicht werden.

Warum ist Selbstorganisation in agilen Teams so wichtig? Die Antwort darauf ist ihre Reaktionsfähigkeit. Die steigende Komplexität von Produkten sowie unvorhersehbare Veränderungen in einem hochdynamischen Markt sorgen für unerwartete und noch nie dagewesene Herausforderungen. Ein empowertes Team kann in diesem Fall selbstständig Entscheidungen treffen, um bestmöglich und unmittelbar auf die Herausforderung zu reagieren.

Es müssen also, im Gegensatz zur „klassischen“ Vorgehensweise, keine langen Eskalationsschleifen gedreht werden, bei denen wertvolle Zeit verloren geht. Ein weiterer Vorteil von Entscheidungen, die im Team getroffen werden, ist zudem die breite Basis an Perspektiven und Erfahrungen.

Selbstorganisation in agilen Teams
Das Ownership Modell

Definition

Ein wichtiges Modell im Kontext der Selbstorganisation in agilen Teams ist das unten aufgeführte Ownership Modell. Es beschreibt, wann Teams und Individuen in der Lage sind, Verantwortung für die ihnen übertragenen Aufgaben zu übernehmen. Es werden zwei Faktoren definiert, die dafür relevant sind:

  • Freiheitsgrad des Individuums oder des Teams
    Die vertikale Achse des Modells beschreibt den Freiheitsgrad des Individuums oder des Teams. "Wie eng sind die Vorgaben?" bzw. "Wie groß ist der Spielraum, um eigene Entscheidungen zu treffen?" stellen Fragen dar, mit denen man den Freiheitsgrad bestimmen kann.
  • Reifegrad bei der Erreichung von Zielen
    Auf der horizontalen Achse sehen wir den Reifegrad bei der Erreichung von Zielen. Dabei kann sich der Reifegrad sowohl auf die fachliche Qualifizierung beziehen als auch auf methodische Kompetenzen. Bei einer agilen Transformation wäre das beispielsweise das Wissen über agile Arbeitsweisen, aber auch über Methoden zur Entscheidungsfindung im Team.

Unterschiedliche Ausprägungen von Ownership

Die Erwartung an ein performantes, selbstorganisiertes Team ist nun, Ownership für die Arbeit ihres Teams zu übernehmen -  also Verantwortung zu übernehmen und Entscheidungen zu treffen. Auf dem Modell befände sich ein solches Team oben rechts. Um diesen Status zu erreichen, benötigt das Team den Freiraum, d. h. die Erlaubnis und Möglichkeit, Aufgaben selbst zu definieren und Entscheidungen zu treffen. Aber auch die notwendigen Fähigkeiten sind von zentraler Bedeutung. 

Suboptimale Ausprägungen von Ownership

Wir können in dem Modell aber auch zwei Zustände identifizieren, in denen es für agile Teams und Individuen nicht, oder nur schwer möglich ist, Ownership zu übernehmen:

  • Zustand „Eingesperrt“: Die fachliche und methodische Kompetenz ist zwar vorhanden, allerdings schränken enge Vorgaben oder Micro-Management den Gestaltungsspielraum stark ein. Teams können ihre Fähigkeiten oder innovativen Ideen nicht wertstiftend einbringen. Die Folge ist ein Gefühl des „Eingesperrtseins“. Anstelle von Ownership und Verantwortungsübernahme tritt Demotivation oder Resignation ein (siehe Feld unten rechts).
  • Zustand „Schwimmend“: Ganz im Sinne der Agilität und der Selbstorganisation werden strenge Strukturen aufgehoben. Die klassische Führung – im Sinne konkreter Arbeitsanweisungen – passt nicht mehr zum Arbeitsmodell. Teams bekommen von heute auf morgen alle möglichen Freiheiten, jedoch ohne bereits die notwendige Reife zu besitzen. Dazu gehört strategisches Hintergrundwissen, fachliche Fähigkeiten wie auch methodische Fähigkeiten, bspw. wie Entscheidungen im Team getroffen werden. Die Folge ist Chaos, Überforderung und das Gefühl des „Schwimmens“. Freiheiten werden nicht genutzt und die Verantwortung wird nicht angenommen (siehe Feld oben links).

Bild Ownership Modell

Anhand von Fallbeispielen erklärt
Das Ownership Modell in der Praxis

Im Folgenden möchten wir uns mit dem Zustand des „Schwimmens“ beschäftigen. Gerade im Zuge großer agiler Transformationen erleben wir in unserem Beratungs- und Coachingalltag häufig Situationen, in denen Teams trotz offizieller Freiheiten keine Ownership, also keine Verantwortung für die gemeinsame Arbeit, übernehmen können. Die notwendige fachliche und methodische Entwicklung des Teams wird in diesen Fällen unterschätzt. Werfen wir einen Blick auf Situationen in agilen Teams, in denen Personen durch fehlende Struktur oder durch zu viele Freiheiten daran gehindert werden, Verantwortung zu übernehmen.

Förderung von Selbstorganisation
Konkrete Tools und Methoden

Die Frage, die sich nach den beschriebenen Beispielen stellt: Wie kann die Kompetenz und der Reifegrad im Rahmen einer agilen Transformation Schritt für Schritt aufgebaut werden, um die Selbstorganisation in agilen Teams zu fördern? Genau bei dieser Aufgabe unterstützen agile Coaches in einer agilen Transformation.

Unsere agilen Coaches von LEITWERK geben, angepasst an den Reifegrad in agilen Teams, wirksame Impulse und Anregungen. Im Folgenden werden konkrete Methoden und Tools, die wir in Beratungsprojekten zur agilen Selbstorganisation gebrauchen, erläutert.

Bild Zusammenarbeit

Informationen teilen

Diese Maßnahme scheint offensichtlich, dennoch wird ihre Relevanz für selbstorganisierte Teams häufig unterschätzt. Das gesamte Team muss Zugang zu allen relevanten Informationen haben.

Für agile Teams mit einem noch geringen Reifegrad ist es wichtig, dass die unten genannten Punkte umgesetzt und nachgehalten werden. So kann der Wert, der durch Transparenz und dem Teilen von Informationen entsteht, im Team spürbar gemacht werden.

  1. Offene Strategie
    Wohin wollen wir uns als Unternehmen entwickeln? Wie sehen Rahmenbedingungen aus? Diese Fragen müssen Mitarbeitende beantworten können, um Entscheidungen im Sinne der Organisation treffen zu können. Die regelmäßige Kommunikation der Strategie ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg in die Selbstorganisation.
  2. Tägliche Stand-up-Meetings oder Dailies
    Eine bewehrte Methode, sich im Team über den aktuellen Arbeitsstand auszutauschen, sind Stand-up-Meetings. Jeder aus dem Team berichtet knapp, was er seit dem letzten Meeting erreicht hat, was als nächstes ansteht und, ob es Hindernisse gibt. Durch diesen Austausch können Teammitglieder Synergien oder Abhängigkeiten aufdecken und ihre individuellen Erfahrungen gemeinsam nutzen.
  3. Task Boards
    Visualisierungen schaffen Ordnung und erhöhen die Aufmerksamkeit - um nur zwei der Vorteile zu nennen. Ein gemeinsames Task Board unterstützt das Team, ihre Aufgaben zu organisieren, spezifische Informationen festzuhalten und den Fortschritt unmittelbar sichtbar zu machen.
  4. Teamkommunikation
    Eine gemeinsame Teamfläche bietet die beste Grundlage für einen direkten Austausch. Ist dieser Luxus nicht gegeben, bietet es sich in Zeiten von remote-arbeitenden Teams an, einen gemeinsamen Kommunikationskanal festzulegen. Chat-Tools wie Slack oder Microsoft Teams ermöglichen eine schnelle Informations- und Datenübertragung oder virtuelle Kollaboration.

Entscheidungsmethoden im Team

Der Mehrwert, der durch eine agile Arbeitsweise entstehen kann, ist die schnelle Entscheidungsfindung. Konkrete Methoden helfen dabei, Teams bei einer selbstorganisierten Entscheidungsfindung zu unterstützen.

Wann, welche Entscheidungsmethode angewendet wird, hängt von der Komplexität der Entscheidung, dem Zeitrahmen und der Bedeutung der Entscheidung ab. Es ist wichtig, dass das Team in der Lage ist, zu verstehen, welche Methode in welcher Situation am besten geeignet ist. Eine klare und offene Kommunikation sowie ein gemeinsames Verständnis der Entscheidungsprozesse unterstützen die Effektivität von Entscheidungen.

  1. Konsent-Entscheidungen
    Während es das Ziel der Konsens-Methode ist, dass jeder Beteiligte der Entscheidung zustimmt, drehen wir für die Konsent-Methode den Spieß um: „Welche schwerwiegenden Einwände sprechen gegen die Entscheidung?" Alle Meinungen werden gehört, jedoch werden Entscheidungen nicht durch leichte Bedenken blockiert und Teams kommen schnell ins Handeln.
  2. Konsultativer Einzelentscheid
    Hier wird das Wissen von Vielen mit der Kompetenz des Einzelnen kombiniert. Ein nominierter Entscheider, z. B. ein Themenexperte mit Zugang zu wichtigen Inputgebern, bereitet eine Entscheidung vor und präsentiert sie dem Team. Dieses muss gesamthaft hinter der Entscheidung stehen. Sonst wird der Vorgang nach konkretem Feedback wiederholt
  3. Trial-and-Error
    Diese Methode besteht darin, eine Entscheidung auf der Grundlage von Hypothesen oder Annahmen zu treffen und diese dann zu testen und zu überprüfen. Diese Methode fördert die Kreativität und das Lernen im Team, indem es ermutigt wird, Risiken einzugehen und aus Fehlern zu lernen.

Teamkalibrierung und gemeinsamen Lernprozess etablieren

Agile Teams müssen sich gemeinsam entwickeln. Agile Coaches oder Scrum Master setzen bewusst Impulse und Tools zur Teamkalibrierung ein, um die Zusammenarbeit iterativ zu verbessern:

Diese Methoden können auch von agilen Teams selbst angewendet werden, um sich zu kalibrieren und ihre Leistung zu verbessern. Es ist jedoch auch wichtig, dass das Team regelmäßig überprüft, ob die Methoden noch effektiv sind oder, ob Anpassungen notwendig sind

  1. Retrospektiven
    Retrospektiven sind ein wichtiges Instrument, um sich als agiles Team in der Selbstorganisation zu kalibrieren. In regelmäßigen Abständen reflektiert das Team in einer Retro gemeinsam, wie die Zusammenarbeit im Team funktioniert, wie Entscheidungen getroffen wurden und welche konkreten Maßnahmen gemeinsam zur Verbesserung der Zusammenarbeit beitragen.
  2. Team Agreement
    In der Definition eines Team Agreements werden die gegenseitigen Erwartungen der Teammitglieder explizit formuliert und Vereinbarungen getroffen. Das Team definiert auf diesem Weg seine ganz individuellen Regeln, bspw. wie sie sich gegenseitig darauf aufmerksam machen, wenn eine Diskussion abschweift. Oder wie sie die Effektivität eines Meetings zielgenau abfragen werden.
  3. Teamkultur aufbauen
    Jetzt kommt der schönste Teil. Teamtage, gemeinsame Mittagessen, Kaffeetermine, Teamevents. Ein Team, das sich gut kennt und vertraut, arbeitet effizient zusammen. Es entstehen weniger Missverständnisse oder persönliche Kränkungen. Es wird offener nach Hilfe gefragt. Somit werden Herausforderungen oder Probleme frühzeitig angesprochen und gemeinsam gelöst.

Selbstorganisation ist ein wichtiger Bestandteil unserer heutigen komplexen Welt
Unser Fazit

In der heutigen VUCA-Welt ist Selbstorganisation eine wichtige Fähigkeit für Organisationen und Teams, um erfolgreich zu sein. Sie ermöglicht es, schnell und flexibel auf Veränderungen und Unsicherheiten zu reagieren, neue Ideen zu generieren und Innovationen voranzutreiben. Dabei entsteht Selbstorganisation nicht von selbst, und es gibt viele Herausforderungen, die ein Team auf dem Weg dorthin bewältigen muss. Anhand des Ownership Modells kann man erkennen, dass der Aufbau von Kompetenz ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Selbstorganisation ist. Dabei helfen kann ein schneller und transparenter Informationsfluss, Methoden, um im Team Entscheidungen zu treffen, und natürlich ein - in einer komplexen Welt nicht mehr wegzudenkender - etablierter Lernprozess.

  • Icon Agile Transformation

    AGILE TRANSFORMATION BERATUNG

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